Update #1: Nach einem Monat gibt's viel zu sagen

"Als ob du jetzt echt schon fast einen Monat da bist!?",
"Wie gefällt es dir in Ecuador?",
"Hast du dich schon eingelebt?",
...sind nur einige der vielen Fragen, mit denen ich von Freunden und Bekannten in der letzten Zeit konfrontiert wurde.

Und ja, es stimmt, am Freitag, den 27.09. bin ich wirklich schon genau einen Monat hier. In diesem Blogeintrag werde ich über meine bisherigen Erlebnisse berichten und diesbezüglich versuchen, meine Gedanken etwas zu ordnen. Da in diesem Monat wirklich schon sehr viel passiert ist, sollte ich vielleicht anmerken, dass dieser Blogeintrag etwas länger werden könnte.

Die Ankunft
Es geht los. Nachdem ich mich in Deutschland von allen Freunden und Verwandten verabschiedet hatte und meine Gepäckstücke fertig gepackt waren, fuhren wir zum Flughafen. Vor Ort traf ich auch schon direkt einige andere Freiwillige meiner Organisation, die genauso aufgeregt auf die Reise ins Ungewisse waren, wie ich. Als wir insgesamt 16 Freiwilligen nach elf Stunden Flug endlich am Flughafen von Quito angekommen sind, mussten wir zunächst einmal warten, da der Koffer einer Person nicht mit angekommen war. Nach dieser ersten Herausforderung wurden wir hinter dem Sicherheitsbereich bereits von den Mitarbeitern unserer ecuadorianischen Partnerorganisation und Kathrin, einer weiteren Freiwilligen, empfangen. Sie hatte ihre zehn Monate schon fast hinter sich. In einem Bus ging es dann schon in die Einrichtung, in der wir zwei Tage und eine Nacht verbrachten. Das "Einführungsseminar" der nächsten zwei Tage wurde von der Partnerorganisation FIIDES organisiert und bot uns eine gute Einleitung und Vorbereitung auf unseren zehnmonatigen Aufenthalt auf südamerikanischem Boden.
Neben ersten Bekanntschaften mit der ecuadorianischen Küche und dem ersten Kontakt zu Einheimischen (obwohl dieser nur kurz im Supermarkt stattfand), wurden wir in dem Seminar mithilfe von Workshops und Vorträgen schon sehr gut auf unserere zukünftige Zeit vorbereitet. Wir lernten einiges über die Mentalität der Menschen und generelle Höflichkeitsfloskeln, beispielsweise begrüßt man sich hier mit einem Kuss auf die rechte Wange.
Generell hatte ich das Gefühl, das Seminar hat uns allen sehr geholfen "anzukommen", denn so wurden wir nicht komplett ins kalte Wasser geworfen und konnten die ersten Eindrücke leichter verarbeiten. 

Auf dem Weg vom Flughafen nach Quito

Alle Freiwilligen

Llegar a Ambato
Nach dem zweiten Tag des Seminars ging es für uns in unsere zukünftigen Wohnorte. Nachdem ein paar von uns abends in einem kleinen Bus in das zweieinhalb Stunden entfernte Ambato fuhren, bekamen wir erstmals die gesamte Größe Quitos vor Augen, denn es war dunkel und so konnten wir die ganzen Lichter der Stadt bewundern. Neben mir leben noch sieben weitere Freiwillige in Ambato. Wir alle saßen also teils nervös, teils müde vom Jetlag, und natürlich auch aufgeregt im Bus, der uns zu unserem neuen zu Hause brachte.
Abends nachdem wir angekommen waren, wurden wir dann auch schon von unseren Gastfamilien im Haus der Programmkoordinatorin abgeholt und ich durfte sie zum ersten Mal kennenlernen.
Meine Gastfamilie besteht aus meiner Gastmutter Monica, meinem fünfjährigen Gastbruder Eduardo und meiner 13-jährigen Gastschwester Romina.
Während der ersten gemeinsamen Autofahrt ist mir aufgefallen, dass meine Spanischkenntnisse wirklich noch sehr viel Verbesserungspotential besitzen, jedoch war ich auch überrascht, dass ich überhaupt etwas verstehen und sogar antworten konnte.
Mit meinem Haus bin ich wirklich mehr als zufrieden. Mein Zimmer ist schön, ich habe ein eigenes Bad, wir haben einen eigenen Garten und ich kann mich wirklich nicht beschweren. Das Haus ist direkt an einem kleinen Fluss gelegen und dadurch kann ich auch ab und zu mit Sparky, dem Hund der Familie, spazieren gehen.
Noch mehr zu meinem Wohnort habe ich bereits hier geschrieben. 

Die erste Woche
Die ersten eineinhalb Wochen hatten wir jeden Tag außer am Sonntag drei Stunden Spanischunterricht. Da wir danach immer relativ viel vom Tag übrig hatten, konnten wir deshalb in der ersten Woche einiges von Ambato sehen.
So trieb es uns also von verschiedenen Parks, zum Botanischen Garten, über Märkte , bis hin zu den zwei Shoppingmalls der Stadt.
Außerdem habe ich mich an einem Tag bei meinem Projekt vorgestellt, bei dem ich die nächsten zehn Monate arbeiten werde.



Im Botanischen Garten

Dadurch, dass wir in die verschiedenen Ecken der Stadt waren, konnte ich mich auch immer mehr an das Bussystem hier gewöhnen, denn es ist wirklich sehr anders als in Deutschland.
Der wohl größte Unterschied ist, dass es hier keine Buspläne gibt. Man stellt sich einfach an die Straße und wartet auf den nächsten Bus. Dieses System klappt erstaunlich gut. Ich musste bisher noch keinmal länger als drei Minuten auf einen Bus warten, egal wo ich war und wohin ich musste. Wenn man einsteigt gibt man dem Busfahrer 30 Cent und darf so lange mitfahren, bis man aussteigen muss. Zum Aussteigen steht man einfach auf, drückt auf den Stopp-Knopf und der Bus hält sofort an und lässt einen an der gewünschten Stelle raus. In Ambato ist es so, dass es zig verschiedene Linien gibt, die ihre jeweils eigenen Routen fahren. Um einen Überblick über die verschiedenen Busrouten zu bekommen, haben wir an einem Tag beim Tourismuscenter nach einem Busplan gebeten, jedoch mussten wir relativ schnell feststellen, dass es diesen nicht gibt. Man kann sich entweder an den Endstationen orientieren, die bei jedem Bus groß vorne dran stehen, oder man fragt einfach den Busfahrer.

An meinem zweiten Wochenende hier ging es auch schon auf meinen ersten Ausflug, denn meine Gastfamilie ist mit mir für einen Tag nach Baños de Agua Santa gefahren, was ein unter Touristen bekannter Ort hier in Ecuador ist, weil er am Fuße des Vulkans Tungurahua liegt und dort wirklich schöne Natur vorzufinden ist. Wir machten an dem Tag eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall und ich bestaunte die hohen Berge und das tropische Klima, denn Baños gilt als Übergang der Sierra (Berglandschaft) zum Oriente (Regenwald).

Brücke in Banos, vor mir meine 2 Gastgeschwister

Der Alltag setzt ein
Nachdem die ersten eineinhalb Wochen, und so auch der Spanischunterricht, vorbei waren, ging es für jeden von uns Freiwilligen in die jeweiligen Projekte. Mein Projekt trägt den Namen Futurahua und ich muss hier im Moment jeden Tag von 8:00-16:30 Uhr arbeiten. Alle Informationen über mein Projekt, wie ich es finde etc., werde ich jedoch mal in einem anderen Blogpost thematisieren.
Nachdem ich jeden Tag um circa 17 Uhr nach Hause komme, spüle ich meistens Geschirr und gehe danach noch etwas mit dem Hund raus. Da es aber schon nach dem Sonnenuntergang um 18 Uhr innerhalb von 20 Minuten recht dunkel wird, bin ich um diese Uhrzeit wieder zu Hause.
Manchmal fahre ich mit meiner Gastmutter abends noch zu einiger ihrer Kunden und helfe ihr, denn sie verkauft Blumentöpfe in der ganzen Region. Oftmals bekommen wir abends aber auch Besuch von Familienmitgliedern oder "Amigos y Amigas". Nicht selten sind wir aber auch diejenigen, die wo anders zu Besuch sind. So hatte ich bisher das Vergnügen, viele neue Leute kennenzulernen.
Dabei wird mir eigentlich immer die Frage gestellt, wie ich das Essen hier finde und was ich bisher probiert habe, was darauf zu schließen ist, dass die Esskultur hier in Ecuador einen hohen Stellenwert hat. Meistens antworte ich unter Anderem, dass ich schon das typische Gericht unserer Region Tungurahua probiert habe: Llapingachos. Generell mag ich hier fast alles, wobei ich aber auch noch keine ganz ausgefallenen Sachen probiert habe. Besonders gefallen mir hier die vielen Früchte, wovon es nur die wenigsten in den deutschen Supermärkten gibt. Am Sonntag war ich mit meiner Gastmutter auf einem Markt und für nur 10$ haben wir super viel kaufen können, zum Beispiel gibt es hier drei Avocados für 1$. In Deutschland mochte ich keine Avocados, aber hier schmecken sie mir komischerweise, am liebsten zusammen mit Reis. Generell gibt es hier zu fast jedem Gericht Reis, was aber für mich gar kein Problem ist.
Das einzige was mir nicht so sehr gefällt ist, dass es jeden Tag mehrmals Fleisch gibt, am meisten Hühnchen. Obwohl ich kein Vegetarier bin wird mir das manchmal schon etwas zu viel und so wie ich es bisher mitbekommen habe gibt es hier auch keine große vegetarische Auswahl in den Restaurants.

Ausflüge
Da wir Freiwilligen an den Wochenenden nicht arbeiten müssen, nutzen wir diese um Stück für Stück das Land zu erkunden, und so hat es auch nicht lange gedauert, dass wir nun schon an einigen echt tollen Orten waren.
Am dritten Wochenende sind wir samstags zu acht nach Baños gefahren. Die zweistündige Busfahrt mit dem Reisebus kostet sage und schreibe nur 1,10$. Obwohl ich mit meiner Gastfamilie schonmal einen eintägigen Ausflug dorthin gemacht hatte, sah ich an diesem Wochenende ausschließlich Neues.
Bevor wir unsere Ankunft in Baños genießen konnten, mussten wir erstmal mit Schrecken feststellen, dass aus einem der Rucksäcke, die ein paar von uns in die Ablage über den Köpfen gelegt hatten, einige Sachen geklaut wurden (zum Glück handelte es sich dabei "nur" um Kosmetikzeug, Pulli, Regenjacke und einen Schlafsack). Daraus habe ich auf jeden Fall für die Zukunft gelernt, meinen Rucksack immer mit zu mir nach unten zu stellen.
Am ersten Tag in Baños gingen wir zur wahrscheinlich größten Touristen-Attraktion: dem Casa de Árbol, einem Baumhaus mit Schaukel und fantastischer Aussicht.
Nachdem wir abends zusammen kochten und aßen, entschlossen wir uns dazu ein bisschen feiern zu gehen, da die Stadt für ihre Partystraße bekannt ist.
Am nächsten Morgen sind wir gegen 12:00 zu einer kleinen Wanderung aufgebrochen, die uns bei der Hälfte des Weges eine fantastische Aussicht gewährleistete.






Letzten Sonntag ging es für drei Freiwillige und mich in den Nationalpark Llanganates zur Lagune Pisayambo. Zuerst mussten wir mit dem Bus in die nächstgelegene Stadt fahren. Dort hat uns eine Freundin meiner Gastmutter abgeholt und zusammen mit ihren drei Kindern sind wir in ihrem Opel Corsa über brüchige Straßen gefahren. Das allein war schon ein ziemliches Erlebnis, da wir sogar einmal aussteigen und das Auto anschubsen mussten. Als wir die Lagune erreichten konnte ich meinen Augen kaum glauben. Keine Menschen, keine Häuser, nur Natur und Berge soweit man gucken konnte. Die Lagune liegt auf circa 3800 Metern Höhe und dort oben waren wir umgeben vom Páramo. Wir wanderten einige Stunden quer durch die Natur und stießen dabei auf sumpfartige Untergrunde, in denen man fast einsinken konnte, auf wilde Viehherden und zwei Fischer, die Forellen aus der Lagune fischten. Man hat sich dort so klein und unwichtig, aber auch sehr vollkommen gefühlt, jedoch war es umso trauriger, als wir an diesem scheinbar menschenleeren Ort, fernab irgendwelcher Dörfer Ölrückstände in Pfützen und eine Plastiktüte im Schlamm sahen...
Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir durch die Freundin meiner Gastmutter eine Chance hatten dorthin zu fahren.

Ausblick auf die Lagune Pisayambo



Reflektion & Gedanken
Generell war die erste Zeit geprägt von vielen neuen Eindrücken, womit ich anfangs auch um ehrlich zu sein etwas überfordert war.
Beispielsweise konnte ich meine "Angst" vor vielen Dingen einfach nicht ablegen, was mich persönlich sehr genervt und zum Teil auch eingeschränkt hat.
Diese "Angst" hatte zum Einen damit zutun, dass ich mir schon lange bevor ich nach Ecuador geflogen bin viele Gedanken darüber gemacht habe. Das wurde natürlich nicht besser, wenn Leute mir Geschichten erzählen von einer Person, die einen kannte, die einen kannte (man merkt worauf ich hinaus will), die dort vergewaltigt wurde, jemand anderen kennt, der dort bedroht und hinterher ausgeraubt wurde und so weiter. Auch waren Anmerkungen wie "puh, bist du dir sicher, dass du das machen willst?" oder "na dann pass mal gut auf dich auf. Du weißt ja, als blondes Mädchen mit blauen Augen..." vielleicht nicht das Durchdachteste, was man mir hätte sagen können.
Auf der anderen Seite wurden wir natürlich auch von unserer deutschen und ecuadorianischen Organisation auf einige Sachen hingewiesen, wie zum Beispiel, dass man vermeiden sollte Leitungswasser zu trinken, Straßenessen und Sachen, die man nicht schälen kann zu essen, sein Handy im Bus rauszuholen und vieles mehr.
Diese ganzen Geschichten und Sicherheitshinweise waren anfangs so fest in meinem Kopf verankert, dass ich wirkliche Angst hatte, durch irgendwelche Parks zu gehen, unterwegs zu sein nachdem es schon dunkel war, alleine ein Taxi zu nehmen und bei allem ganz sicher gehen musste, dass es auch sauber ist und nur abgekochtes Leitungswasser verwendet wird.
Ich weiß natürlich, dass die Warnhinweise nicht von irgendwo her kommen und der Vorfall im Bus hat mir natürlich auch gezeigt, dass man wirklich gut auf seine Sachen aufpassen muss, aber ich möchte mich dadurch auch nicht einschränken lassen. Das einzige, was ich bisher als gefährlich empfunden habe, ist vielleicht der Straßenverkehr, da hier viele so fahren, wie sie es möchten. In manchen Regionen sollte man seine Bauchtasche auch besser unter die Jacke tun und natürlich läuft man in bestimmten Vierteln nicht nachts alleine rum, aber wer macht das denn auch schon in Problemvierteln in Deutschland? 
Soweit ich es bisher mitbekomme, erscheint mir zumindest Ambato ziemlich sicher und ich bin froh, dass ich ich mich hier jetzt ohne naiv zu sein sorgenfrei aufhalten kann.

Neben dem Thema der Sicherheit beschäftigte mich nach meiner Ankunft auch noch etwas anderes, und zwar der Fakt, dass man hier als "Weiße" überall auffällt und dementsprechend sehr oft angeguckt oder angesprochen wird. Mich hat vor zwei Wochen sogar ein Mädchen nach einem Foto mit ihr gefragt. Heute, nachdem ich schon vier Wochen hier lebe, habe ich mich aber größtenteils daran gewöhnt, vor allem weil man ja nichts dran ändern kann.

Mein Spanisch hat sich bisher auch schon ziemlich verbessert. Am Anfang fiel mir das Verstehen von Gesprochenem und das Konjugieren der Verben noch sehr schwer, doch ich merke von Tag zu Tag wie mein Wortschatz wächst und ich immer mehr verstehe. Natürlich fehlt noch ein großes Stück, bis ich fließend Spanisch spreche, doch ich bin zuversichtlich, dass es am Ende meines Auslandsaufenthalts der Fall sein wird.

Um zum Ende zu kommen möchte ich zusammenfassen, wie ich mich jetzt im Moment fühle:
Obwohl ich sehr viel Kontakt zu Deutschland habe, einige Leute sehr vermisse und mich jetzt schon auf den gemeinsamen nächsten Sommer freue, bin ich auch genauso glücklich jetzt gerade hier zu sein und freue mich auf die nächsten neun Monate. Ich bin froh, dass ich mich in meiner Gastfamilie und dem Projekt wohlfühle und möchte in der nächsten Zeit so viel wie möglich von Ecuador sehen. Mit den anderen Freiwilligen verstehe ich mich super und vier von uns haben schon das Ritual entwickelt, jeden Donnerstag ein neues Café zu suchen und den nächsten Ausflug fürs Wochenende zu planen. Um hier etwas mehr Anschluss zu finden, möchte ich mich in Zukunft einem Sportverein oder Ähnlichem anschließen. Alles in allem bin ich hier momentan sehr zufrieden.


Nach diesem, zugegebenermaßen sehr langem, Blogeintrag verabschiede ich mich. Ich habe keinem wirklichen Muster gefolgt, sondern erstmal versucht ein paar der Geschehnisse und Eindrücke wiederzugeben. Natürlich gäbe es noch viel mehr zu sagen. Falls ihr Fragen habt oder möchtet, dass ich was zu einem bestimmten Thema schreibe, schickt mir bitte eine Nachricht.
Mit diesen Worten,

¡Hasta Pronto!

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